Regenerative Energien sind eine feine Sache. Es wird Strom erzeugt, ohne dass knappe Rohstoff-Ressourcen verbraucht werden. Die Sonne scheint tagsüber eh immer und irgendwo weht auch ein Wind um Windräder anzutreiben. In Deutschland wird so viel Strom erzeugt, dass wir sogar (fast) dauernd welchen in andere Länder exportieren können.
Warum schalten wir dann nicht einfach alle Atom-/Kohle- und sonstwie umweltunverträglichen Kraftwerke ab und bauen noch ein paar mehr Solarzellen auf die Häuser und stellen noch ein paar Windräder auf? Man hört doch auch häufig von dem Bekannten eines Bekannten, dass er mit seiner Solaranlage auf dem Dach 80% (oder mehr) seines Strombedarfes deckt, weil er über einen Tag gerechnet genauso viel Ertrag hat wie er verbraucht. Weil die Atomlobby dagegen ist und Angst um ihre Gewinne hat? Weil Merkel die Zeit verschläft?
Ganz so einfach ist das leider nicht, was ich an einem Beispiel verdeutlichen möchte (welches eigentlich auch stark vereinfacht ist 😉 ):
Die Grafik zeigt meinen Stromverbrauch am 16. September 2013 von 0:00 bis 24:00 Uhr. Zu erkennen sind der Grundverbrauch (ca. 60W), der Gefrierschrank (die sich häufig wiederholenden periodischen Auschläge) und der Kühlschrank (welcher sich anscheinend nur 4x am Tag anschaltet – dafür aber ziemlich lange). Die hohen Ausschläge kommen durch die großen Einschaltströme der Geräte. Am Morgen ist kurz die Kaffeemaschine zu sehen.
Gegen Abend wir es etwas spannender, hier wird der meiste Strom verbraucht. Genutzt wurden Geschirrspüler, Waschmaschine, Toaster, Licht und der Fernseher war zwischendurch auch an. Der Gesamtverbrauch des Tages lag bei 6kWh.
6kWh lassen sich mit einer durchschnittlichen Solaranlage auf dem Dach gut selber erzeugen. In Ermangelung eines eigenen Hausdaches habe ich selber keine Solaranlage, aber ein Freund war so nett, mir seine Daten zur Verfügung zu stellen:
Die Kurve zeigt den Verlauf der erzeugten Energiemenge von 6,6kWh – also etwas mehr, als ich an dem Tag verbraucht habe. Von der Energiebilanz her könnte ich also behaupten, dass mein Stromverbrauch an diesem Tag klimaneutral war. Leider kann Strom nicht gespeichert werden und muss genau zu dem Zeitpunkt erzeugt werden, zu dem er verbraucht wird. Um das Problem zu verdeutlichen, zeigt die folgende Grafik die beiden Kurven noch einmal zusammen:
Hier sieht man sehr schön, dass die Zeitpunkte der Erzeugung und des Verbrauches nicht übereinstimmen. Obwohl die Menge der erzeugten Energie der verbrauchten Menge entspricht, ist aufgrund mangelnder Speichermöglichkeit noch nichts gewonnen. Es ist fast sogar das Gegenteil der Fall. Ohne die eigene Erzeugung müsste sich der Energieversorger „nur“ auf meinen Verbrauch einstellen. Das kann er aufgrund statistischer Daten sehr gut machen, dazu kann er sich einfach mein bisheriges Verhalten ansehen und weiss schon vorher, wie er seine Kraftwerke ungefähr zu steuern hat (60W Grundlast, morgens etwas mehr und das Meiste dann am Abend). Wobei er es an diesem Tag etwas schwerer bei mir gehabt hätte, da ich abends normalerweise nicht zweimal die Waschmaschine und gleichzeitig den Geschirrspüler anstelle.
Kommt jetzt aber noch die eigene Erzeugung dazu, muss er sich darum auch noch kümmern. Folgende Grafik zeigt den Verlauf, wie ihn der Energieerzeuger (bzw eher der Netzbetreiber) „sieht“:
Die Stromversorgungsunternehmen müssen sich also nicht nur darum kümmern, dass sie Strom erzeugen wenn ich welchen verbrauche, sie haben jetzt noch die zusätzliche Aufgabe, die Stromerzeugung zurückzufahren, wenn ich gerade einspeise. Würde die Solaranlage kontinuierlich Strom erzeugen, wäre das etwas einfacher und für den Versorger leichter zu planen. Leider macht sie das nicht immer, da die Sonne auch mal durch Wolken verdeckt wird. Diese Einbrüche müssen dann vom Energieversorger durch Regelenergie überbrückt werden. In meinen Beispiel könnte das sogar bedeuten, dass er im schlimmsten Fall bis zu 2500Watt einfach irgendwie „verbraten“ muss, um die Stabilität der Netze zu gewährleisten. Wird zu viel Energie in die Netze gespeist, dann steigt auch die Netzfrequenz. Aufgrund erlaubter Toleranzen ist das bis zu einer gewissen Grenze nicht dramatisch, diese Grenze darf aber nicht überschritten werden (siehe auch 50,2Hz-Problem).
Nimmt man nur dieses Beispiel, könnte man verstehen, dass die Energieversorger nicht sonderlich begeistert davon sind, dass jeder seinen Strom erzeugen und einspeisen kann – und dann auch noch fast so viel Geld dafür bekommt wie er für die Entnahme bezahlen muss. Denn durch die dezentrale Einspeisung müssen die Energieversorger mehr Systemdienstleistungen für weniger Geld bereitstellen.
Obwohl meine Daten für dieses Beispiel real sind, sieht es in der Realität zum Glück anders aus. Es gibt noch ca. 40 Millionen weitere Privathaushalte alleine in Deutschland (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung). Und nicht jeder dieser Haushalte verbraucht zum gleichen Zeitpunkt die gleiche Menge Strom. Dazu kommen dann noch Industrie und Landwirtschaft, die andere durchschnittliche Lastprofile haben. Ausserdem wird regenerative Energie nicht nur durch Photovoltaik, sondern auch durch Windkraft oder durch Biomasse erzeugt. Selbst wenn man nur den erzeugten Strom durch Solar nimmt, sieht es im Verbund gleich ganz anders aus, da nicht alle Anlagen gleichzeitig durch Wolken verdeckt werden. Hier zeigt sich der Vorteil des Verbundnetzes, welches sich über Europa erstreckt. Trotzdem verdeutlicht das Beispiel die Problematik, die sich durch die nicht vorhandene Speichermöglichkeit ergibt. Wenn der durch die eigene Solaranlage erzeugte Strom speicherbar gewesen wäre, hätte ich damit meinen eigenen Bedarf decken können. So wurde jetzt aber viel „exportiert“, musste später dann doch wieder durch andere Energiequellen für mich erzeugt werden und die Energieversorger hatten mehr Arbeit, um das Netz stabil zu halten. Für eine nachhaltige Energieversorgung reicht es also nicht, massenhaft die Photovoltaik auszubauen, es müssen vielmehr Speichermöglichkeiten geschaffen werden und es ist notwendig, den Strom intelligenter zu nutzen.